Montag, 3. Oktober 2016

"children are a blessing and a gift from the lord" ?

Am 29. September besuchte ich das erste mal in dieser Woche statt einer Schule ein Early Childhood Center - also einen Kindergarten - in der Nähe von Woodstock. Angie's little peeps ist in einem Wohnhaus außerhalb des Ortes angelegt. Ohne ein Auto stelle ich es mir sehr schwer vor, dort hinzu gelangen. Der Kindergarten ist so aufgebaut, dass die verschiedenen Räume jeweils für Kinder verschiedener Altersstufen gedacht sind. Dabei gibt es einen Raum für Babies, für 1-Jährige, 2-3-Jährige, 4-5-Jährige sowie im Untergeschoss einen Raum für die Nachmittagsbetreuung von Schulkindern. Des Weiteren gibt es noch einen Garten, in dem die Kinder selbst Gemüse anbauen können und - meine Lieblingsstelle - ein "Waldklassenzimmer". Dafür wurde im (zehn Meter entfernten) Wäldchen ein "Raum" mit Tischgruppen, Spielküche und anderen Spielsachen eingerichtet.


Angie's Little Peeps orientiert sich an verschiedenen pädagogischen Konzepten. Ähnlich wie in der Waldorfpädagogik wird hier viel auf Holzspielzeug und die Fantasie der Kinder beim Spielen gesetzt, jedoch findet man in den Räumen durchaus auch Spielzeug aus Plastik. In der Gruppe der 4-5-Jährigen, in der ich mich hauptsächlich aufgehalten habe, wurde zum Großteil der Zeit frei gespielt. Es war interessant und schön zu beobachten, wie hierbei die Kinder miteinander umgehen. Zwischenzeitlich gab es dann Vorschulelemente, in denen das Alphabet vorwärts und rückwärts (das meine ich wortwörtlich) gelernt wurde, Wörter mit "D" gesucht und Geburtstage einstudiert wurden. Angie's Little Peeps ist somit ein schöner, aber doch nach unseren Erfahrungen recht "normaler", bzw. "durchschnittlicher" Kindergarten.




Woodstock High School


Unser Teil der Exkursionsgruppe besuchte die Woodstock High School. Diese Public School wird von knapp 600 Schüler*innen in den Klassenstufen neun bis zwölf besucht. Die Schule ist englischsprachig orientiert, besitzt aber, wie bereits viele andere Schulen der letzten Tage, ein French-Immersion- Programm, bei dem Kurse auf Französisch gehalten werden. In der Schule wurden wir herzlich durch sieben verschiedene Lehrpersonen empfangen. Darunter waren zwei Ressource teacher, der Stellvertretende Schulleiter und ein Lehrer, welcher sich vor allem um die First-Nation-Schüler kümmert. Nach der Begrüßung hatten wir mit allen ein sehr intensives Gespräch. Zur Sprache kamen neben der Organisation der Schule und deren Umgang mit Heterogenität und Inklusion (welche nicht von dem Umgang der meisten bisher besuchten Schulen in New Brunswick abweicht), vor allem auch die Probleme, mit denen die Schule zu kämpfen hat. Zu den Problemen zählten eine Zunahme des Schulabsentismus, vermehrtes Mobbing, der Abfall der Schülerzahlen und finanzielle Schwierigkeiten. Nachdem wir all unsere offenen Fragen los geworden waren, begaben wir uns in drei Kleingruppen geteilt, von jeweils zwei Angestellte der Schule begleitet, durch die Schule. Hier hatten wir die Möglichkeit verschiedenen Unterrichtssequenzen beizuwohnen, wie beispielsweise einem Sozialkundeunterricht, in welchem Romeo und Julia besprochen wurde, dem Musikunterricht, in dem für ein anstehendes Konzert geprobt wurde oder einem Matheunterricht für Schüler*innen welche weitere Lernförderung benötigen. Während der Hospitationen hatten wir stets die Möglichkeit auftretende Fragen an unsere Begleiter*innen, die Lehrer* innen oder Schüler*innen zu stellen oder Gesehenes zu besprechen. Besonders intensive Gespräche ergaben sich auf der einen Seite mit dem resource teacher, welche uns einen ausführlichen Einblick in die personal learning plans gab und auf der anderen Seite mit zwei der Lehrerinnen, welche sich um die Inklusion und Unterstützung der first-nation-students kümmern.


 


 

Durch diese beiden Lehrerinnen wurde schließlich zur Lunchtime ein Kontakt zum educational director hergestellt. Von unserem Interesse fasziniert, bekamen wir direkt das Angebot, sie persönlich zu treffen. Ihr Aufgabengebiet umfasst vor allem die Belange der indigenen Schüler*innen sowie deren Eltern und Lehrer*innen. Die einmalige Chance nutzend, begaben wir uns auf die zehn minütige Fahrt in die Community. In dem Jungend- und Trainingszentrum erhielten wir dann weitere Einblicke in das Leben der indigenen Bevölkerung und die Probleme mit denen sie täglich konfrontiert werden. Es war sehr beeindruckend, diese Informationen aus erster Hand zu bekommen.




 
Nach den Schul- bzw. Kindergartenbesuchen traf sich die Gruppe wieder, um nach Fredericton zu fahren - der erste und letzte Ort in New Brunswick für uns. Dort trafen wir uns um 14 Uhr mit Scott, der über Jobs Unlimited eine Arbeitsstelle in einem Hotel gefunden hat und uns seinen Arbeitsalltag vorstellte. Bei Jobs Unlimited handelt es sich um eine Organisation, die Menschen unterstützt, die wegen einer Beeinträchtigung oder aus anderen Gründen keine Arbeitsstelle finden. Sie helfen Ihnen, Jobs zu finden die zu ihren Interessen und Fähigkeiten passen und hilft ihnen durch individuelle Trainer*innen bei der Einarbeitung, wenn nötig.

Nachmittags hatte die gesamte Gruppe nochmal Freizeit, um sich in Fredericton umzusehen. Wir nutzten die Zeit um den Secondhand-Laden, der uns über Jobs Unlimited vorgestellt wurde, zu durchstöbern.

Abends besuchte uns Rod Cumberland, der Präsident von "Home Educators of New Brunswick" im unserem Hotel, um mit uns über Homeschooling zu sprechen.
Ganz im Gegensatz zu unserem vorherigen Treffen zum Thema Schulunterricht zu Hause, konnte uns Rod durch seine charismatische Art und Kritikfähigkeit dazu bringen, das Thema nochmal anders zu betrachten und ernsthaft darüber als Alternative zum traditionellen Schulsystem nachzudenken. Weiterhin skeptisch muss man dennoch sein, da einer der Hauptursachen für das Homeschooling religiöse Gründe sind und ein sehr traditionelles (diskriminierendes) Frauenbild unterstützt wird. Häufig bleiben die Frauen zu Hause und unterrichten die Kinder, während die Väter arbeiten - finanziell unterstützt wird das Homeschooling in Kanada nicht, wodurch wenigstens ein Einkommen notwendig ist - somit ist das Konzept für alleinerziehende Elternteile eine Sache der Unmöglichkeit. Home Educators Of New Brunswick ist auf dem Glauben gestützt und richtet sich nach der Bibel, was ich, vorsichtig ausgedrückt, schwierig finde.
Sehr enttäuscht bin ich im Nachhinein von der mangelnden Toleranz der Organisation gegenüber LGBQIT* people. Auf mein Nachfragen hin, wie er persönlich und auch HENB dazu stehen würde, meinte Rod er würde nicht über (beispielsweise) homosexuelle Paare richten und sie tolerieren, solange sie die "christliche Nächstenliebe" leben würden. Auf der Internetseite steht jedoch eindeutig: "We Understand: “Family” to mean a male and female parent, legally married (Genesis 1:26-28), although we recognize the exceptions of a single parent, adopted, foster, and step children (James 1:27)." Gleichgeschlechtliche Elternteile sind hier also ausdrücklich ausgeschlossen.

Schade, es wäre zu schön gewesen. 

Annekat

*LGBQIT - Lesbian, Gay, Bi, Queer, Inter, Trans - sprich, alle Menschen, die nicht den heteronormativen Vorstellungen unserer Gesellschaft entsprechen.

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